Zuverlässig, kraftvoll, straff und typisch britisch steif: Das sind wohl die Eigenschaften, welchen dieses britisches Powerschlachtross zutreffend beschreiben würden und dennoch, da ist noch viel mehr. Der Test des Triumph Bobbers ist wie eine Entdeckungsreise eines Motorrades.
Spannend an dieser Geschichte sind nicht die PS und die übrigen nackten Zahlen, die kann jeder bei Triumphs Spezifikationen nachlesen. Spannend ist vielmehr die stückweise Annäherung zwischen Maschine und Mensch, denn der Bobber ist nicht unbedingt ein Motorrad, das einem Fahrer auf Anhieb liegt. Nein, er ist ein typischer Brite und damit immer etwas steif. Man wird nicht gleich warm mit dem Teil, viel eher fühlt es sich an, als würde man einen Bär zähmen, den man gefangen hat, das dauert seine Zeit und kostet viel Geduld, bis Harmonie eintritt, aber umso spannender ist die Geschichte und das Erlebnis und danach umso enger die Beziehung zwischen Maschine und Mensch.
Die oder Der
Häufig liest man „Die“ Bobber, sowie man auch „die“ Kawasaki, „die“ Honda, „die“ Yamaha oder „die“ Harley sagt. Es ist eigentlich erstaunlich, dass die Bezeichnungen der Marken und Modelle von Motorräder weiblich sind und dies in einer klaren Männerdomäne. doch man findet auch Schreiberlinge, welche „den“ Bobber männlich bezeichnen. Mir geht es auch so. Das Bike ist sehr männlich und mir gefiel es besser, das Modell mit einem männlichen Artikel (Deklination) zu versehen. Es fühlt sich für mich richtiger an, aber wenn jemand lieber „die“ Bobber sagen will, ist das für mich auch okay.
Der Begriff „Bobber“
Nur am Rande sei ein kleiner Abstecher zum Begriff „Bobber“ unternommen. Unter einem Bobber versteht man ein Naked Bike mit kurzem Kotflügel, schwebendem Sitz, robusten Tank und kleinen Ballonreifen. Seit den 1920er Jahren gibt es Bobber, die seit den 60er Jahren von den Choppern, die über grössere Reifen, mehr Verzierungen und längere Gabeln verfügen, abgelöst bzw. überholt wurden. Woher der Begriff wirklich stammt, ist mir nicht bekannt, aber ich könnte mir denken, dass der Begriff aufgrund des „schwimmenden“ Sattels (Bobber engl.=Schwimmer, Floss) geschaffen wurde. Ein Bobber-Bike hat aufgrund seines markanten Stils immer einen starken Touch zur Motorradgeschichte.
Die Annäherung
Als ich das erste Mal auf das Bike stieg, staunte ich nicht schlecht, wie viel Mühe ich hatte, das Vorderrad zu bewegen. Die gesamte Gewichtsverteilung, der Lenkkopfwinkel, die Lenkerbreite, die Dimension des Reifens und die gesamte Geometrie und Gewichtsverteilung des Motorrades sind so angelegt, dass es sich anfühlt, als hätte der Vorderreifen Saugnäpfe, mit denen er sich am Asphalt ansaugen würde. Und auch das Einlenken in die Kurve war zu Beginn nicht ganz einfach, wollte man ihn in einer sauberen Balance halten. Es braucht seine Zeit, bis man den Dreh raus hat, wie man die Maschine in die Kurven legen muss und wie eine angenehme Kurvendynamik entsteht. Das geht nicht von heute auf morgen. Das ist bei einer Testfahrt unbedingt zu beachten! Es ist ähnlich wie einer Beziehung: Da müssen sich die Partner aneinander annähern, bis die Beziehung im tagtäglichen Leben harmonisch funktioniert, ansonsten wird’s nichts. Beim Bike ist das natürlich die Aufgabe des Fahrers.
Die Eigenheiten des Bobbers
Ohne auf jedes technische Detail eingehen zu wollen, will ich einige seiner Eigenheiten hervorheben, die den Triumph Bonneville Bobber ausmachen. Zum einen liegt er mit einer Sattelhöhe von 70 cm natürlich sehr tief, was kleinen Fahrern und Frauen sicherlich entgegenkommen wird. Dabei ist der schwebende Einersattel eh eine Einzigartigkeit für sich, der auch über längere Zeit stets für ausreichenden Komfort sorgt – das muss man auch erst einmal schaffen. „Keyless“ gibt’s hier nicht: Beim Bobber bleibt der Zündschlüssel im Schloss stecken! Und das darf man nie vergessen. Wer sich andere Motorräder gewohnt ist, bei denen man den Zündschlüssel im Hosensack trägt, dem wird es wahrscheinlich auch so gehen, wie es mir erging, und das eine oder andere mal das Motorrad verlassen, ohne den Zündschlüssel abgezogen zu haben, was natürlich eine Einladung an alle Motorrad-Diebe ist. Also, sich das dick hinter die Ohren schreiben oder den Schlüssel mit der Hose verbinden. Beim Gasaufdrehen würde ich zu Beginn etwas Zurückhaltung an den Tag legen, denn die Kraft, die der Bobber entwickelt, ist echt brachial! 1200 Kubik, 78 PS und 106 Nm Drehmoment klingen nicht nach so viel, aber in der Realität sind sie es doch. Wer im 2. oder 3. Rang den Gashahn aufdreht, muss sich am Lenker echt festhalten, wenn er nicht erleben will, wie das Motorrad ohne ihn weiterfährt. Der massive Antrieb bläst einem fast vom Hocker!! Kein Scheiss!! Also haltet Euch fest, bevor ihr Gas gebt! Die Federung des Bobbers ist straff und macht sich beim Rücken bemerkbar, wenn man mit Schmackes über einen holprigen Untergrund fährt. Lieber Gruss an den Rücken! Das ist nichts für alte Opas mit Rückenproblemen, ausser man ersetzt das Standard-Federbein und stellt es auf komfortabel ein, was natürlich zu Ungunsten der Strassenlage gehen könnte. Der Kupplungshebel liegt in perfekter Grösse an perfekter Stelle, sodass man nie ein störendes Gefühl hat, wenn man die Kupplung mit dem Fuss sucht. Es gibt Motorräder, die stören mit einem kleinen Kupplungshebel, der bei den Zehen drückt. Das ist hier nicht der Fall, alles sitzt und läuft perfekt und die Kupplung bedankt sich mit einem ansehnlichen Klacken beim Einlegen des nächsten Ganges. Und zuletzt noch einen Blick aufs Instrumentenboard: hier muss man Triumph einfach ein Kompliment machen. Der Knopf der Hupe ist rot gefärbt und hebt sich farblich deutlich ab von den anderen Bedienelementen. Das ist für alle ein Segen, die wie ich schon vergeblich nach der Hupe suchten, weil die zwischen all den anderen Knöpfen in der gleichen Farbe einfach unterging. Bis man die Hupe gefunden hat, ist die Situation meist schon vorbei und man ärgert sich über die dämliche Anordnung. Triumph hat dies beim Bobber vorbildlich gelöst. Auch der grosse Tacho ist eine Augenweide. Er ist super lesbar, in der Nacht leuchtet in der Mitte das Triumph-Zeichen – sehr sexy -, und selbst die Angaben im kleinen Bordcomputer sind stets gut ersichtlich. Einziger kleiner Kritikpunkt besteht bei den Blinkern. Hier besteht das alteingesessene Konzept, wie man es schon vor 40 Jahren bei den Japanern kannte, dass ein Blinkerhebel für beide Richtungen auf der linken Seite angeordnet ist und das man ihn selbst nach dem Einlenken in die neue Richtung auch manuell wieder ausschalten muss. Es gibt heute Motorradmodelle, die mit dem Blinken automatisch aufhören, wenn der Richtungswechsel vollzogen wurde. So etwas müsste man sich Triumph für die Zukunft überlegen. Aber abgesehen von diesem Detail gibt’s nichts zu meckern, sondern viel mehr zu loben. Nebst all den Features bietet der Bobber dem Fahrer oder der Fahrerin eine stetes tiefes Brummeln als Begleitmusik nebst einem Zwitschern, das in tiefes Röhren übergeht, wenn man den Gashahn voll aufdreht. Dabei gefallen die ruhig bleibenden Griffe auf längerer Fahrt, die dafür sorgen, das einem die Hände nicht wegen dauernder Vibrationen einschlafen.
Ein Bike mit Charakter
Der Triumph Bonneville Bobber ist keine 0815-Maschine. Nein, ganz Im Gegenteil. Der klassische, einzigartige Vintage-Look ist nur der symptomatische Ausdruck seiner Einzigartigkeit. Der stets brummelnde, kräftige Motor, seine enorm brachiale Kraft, seine ganz eigene Geometrie und Kurvendynamik, die eine Angewöhnungszeit verlangen und seine vielen speziellen Features runden dieses Unikat zu einer wundervollen Maschine ab. Am Ende fühlt es sich, als sässe man auf einem britischen Schlachtross, mit dem man sicher in und durch den Krieg zieht: zuverlässig, kraftvoll, straff und ein bisschen steif. Und je länger man den Bobber fährt, umso mehr schliesst man ihn ins Herz, den er gehört zu den wenigen Motorrädern, bei dem das einem Fahrer wirklich passieren kann.
TECHNISCHE DATEN | |
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MOTOR | |
Typ | Flüssigkeitsgekühlter 8V-Zweizylinder-SOHC-Reihenmotor, 270° Hubzapfenversatz
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Hubraum | 1200 ccm |
Kompression | 10,0 : 1 |
Nenn-Leistung | 78 PS bei 6’100 U/Min |
Max. Drehmoment | 106 Nm bei 4’000 U/Min |
KRAFTSTOFF | |
Gemischaufbereitung | Sequentielle elektronische Multipoint-Einspritzung |
Tankinhalt | 12 Liter |
KRAFTÜBERTRAGUNG | |
Kupplung | Mehrscheiben-Nasskupplung mit Drehmomentunterstützung |
Getriebe | 6-Gang |
Endantrieb | Kette |
FAHRWERK, MASSE | |
Rahmen | Stahlrohr-Schleifenrahmen, Stahlrohr-Zweiarmschwinge (Hinterradschwinge) |
Radstand | 1500 mm |
Lenkerbreite | 800 mm |
Lenkkopfwinkel | 25.4 Grad |
Nachlauf | 92.0 mm |
Sitzhöhe | 690-700 mm |
Gewicht | 251 kg |
FEDERUNG | |
Federung vorne | 47 mm Showa Cartridge-Gabel |
Federung hinten | Zentralfederbein mit Umlenkung |
RÄDER, BREMSEN | |
Rad vorne | Speichenrad, 32-Speichen, 16 x 2,5 Zoll |
Reifen vorne | MT 90 B16 |
Rad hinten | Speichenrad, 32-Speichen, 16 x 3,5 Zoll |
Reifen hinten | 150/80 R16 |
Bremsen vorne | 310 mm Doppel-Bremsscheibe, Brembo Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS |
Bremsen hinten | 255 mm Einzelscheibe, Nissin Einzelkolben-Schwimmsattel, ABS |
PREIS | |
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Preis | CHF 15’995.00 – 16’415.00 (je nach Farbe) |