Ihr grösstes Manko ist wohl die mangelnde Bekanntheit und das bestehende Image von Triumph. Manch Biker würde auf diese Triumph umsatteln, wüsste er, was ihn bei ihr erwartet, denn ihr kräftiger Cruisersound und ihre beeindruckende Kurvenlage sind echt zum Verlieben.
Text: Rolf Fleckenstein, Bilder: Bruno Fleckenstein, Triumph
Es braucht schon etwas Anlauf, bis man sich mit der Marke Triumph auseinandersetzt, ist sie doch für viele Schweizer Biker und Bikerinnen noch ein Exot, eine Randmarke, zu Unrecht eigentlich, bietet sie doch wirklich beeindruckende Bikes. So, muss ich gestehen, kam ich auch mit einer gewissen Skepsis auf James Müller von Hafner‘s British Bikes in Eschenbach/SG (www.triumph-world.ch) zu, dem Vorzeigehändler von Triumph in der Schweiz, um ein Bike zu testen. Der ehemalige Harley-Händler hat die Triumph-Bude wieder auf Vordermann gebracht und zum Schweizer Flagschiff der englischen Marke gemacht und gilt in der Schweiz nun als Nr. 1 unter den Triumph-Händlern. Triumph bietet sich für Viele als englische Alter- native zur amerikanischen Harley-Davidson an, schliesslich hat auch Triumph eine gewisse Chopper-Palette im Angebot ganz im Unterschied zu den Japanern, die in diesem Segment noch nicht wirklich zu Hause sind. Da die Rocket III Roadster nicht verfügbar war, sollte ich eine Thunderbird Storm probieren. Der „Donnervogel“, wie die Engländer das Ding so liebt getauft haben, sieht in Natura gar nicht so gewaltig aus, ich hätte ihn als kleine 800er eingeschätzt und war dann ziemlich erstaunt zu hören, als mir James mitteilte, dass es sich um eine 1‘700-Kubik-Maschine mit seltenem Parallel-Twin-Motor handelt. Etwas war sicher, meine Neugier war geweckt.
Der tiefe, kräftige Sound erfreut jedes Bikerherz
Doch was hat die Triumph zu bieten, kann sie neben den anderen Choppern bestehen? Ja, meine Freunde, und wie sie kann. Das Beste gleich vorweg, der Sound ist gewaltig im wahrsten Sinn des Wortes. Ein tiefer, ultrakräftiger, fast markdurchdringender Sound wie der eines Dampfers donnert ruhig und kraftvoll aus den zwei grossen 850-Kubik-Zylindern durch die Auspuffrohre und schwimmt beim Fahren stets als begleitender Soundteppich mit, der den anderen Verkehrsteilnehmern schon von Weitem das Auftreten der Thunderbird Storm ankündigt. Das Herz jedes Cruiserfreundes geht hier voll auf. Insbesondere bei 2’000-2‘500 Touren entwickelt der Motor seinen besten Sound, dann ist das langsame und kräftige Tucken des Motors gut hörbar. Und an diesen Sound gewöhnt man sich gerne und man vermisst ihn schnell, wenn man nicht mehr auf der Maschine sitzt.
Man sitzt sehr aufrecht fast wie bei einer Enduro, ja geradezu souverän, so wie die Briten es wahrscheinlich mögen. Die breite Lenkerstange wirkt fast ein wenig dünn insbesondere im Vergleich zum mächtig wirkenden Tank und es gilt, die Griffe ganz aussen zu halten, damit man insbesondere bei der Bremse die stärkste Zugkraft entwickelt. Aber es fällt mir schon auf, dass die Brems- und Kupplungshebel für grössere Hände gemacht sind. Der Tacho mit der Touren-, Tank- und Tripanzeige ist aus Fahrersicht etwas zu weit hinten auf dem übergrossen Tank angebracht. Wer etwas Bauch hat oder etwas grösser ist, wird den Kopf nach unten senken müssen, um etwas zu sehen, die Augen nach unten zu richten, reicht hier nicht ganz aus. Der Knopf „i“ beim rechten Lenkergriff steht wohl für Information: wer ihn drückt, wird durch verschiedene Anzeigen geführt, welche die Uhrzeit, den Kilometerstand oder z.B. auch die Kilometer eines Trips wiedergeben Read More Here. Den Knopf kann man in aller Ruhe auch beim Fahren betätigen und so durchs Menu zippen und Informationen abrufen, ohne absteigen zu müssen, sehr elegant gelöst. Eine Ganganzeige existiert bei der Thunderbird Storm nicht, braucht sie aber auch nicht, das ist eine schwere Cruisermaschine und die lebt vom Feeling. Sobald der gute Sound weg ist, weil sie in höhere Touren gelangt und zu vibrieren beginnt, begleitet von einem leichtem bassigen Dröhnen, schaltet man hoch; hier schaltet man also noch mit dem Gehör und dem Gefühl. Das ist auch, was die Thunderbird am besten kann: Gefühle wecken. Ein Gefühl von Ruhe, Ausge- glichenheit, Freiheit, Frieden und Harmonie. Man hat nicht das Gefühl, man hocke auf einem Rockerstuhl und müsse an jeder Ecke eine Schlägerei anzetteln, vielmehr hat man das Gefühl, auf einem Ferientrip durchs Land der Freiheit zu sein und das Sein der Bewegung und die Freiheit zu geniessen.
Kurven sind ein Genuss
Bei aller Freude an ihrem starken Sound und ihren „good vibrations“ zeigt die Thunderbird Storm auch fahrerisch klare Pluspunkte gegenüber anderen Cruisern, was mich, offen gestanden, sehr überrascht hat. Dabei zeigt sich die Thunderbird Storm erstaunlich wendefreudig und legefreundlich in den Kurven. Bei einem Cruiser dieser Grösse und dieses Gewichtes habe ich es in dieser angenehmen Art noch nicht erlebt. Sicherlich helfen hier auch der breite Lenker und der hintere relativ schmale 200-mm-Hinter-„Finken“. Häufig fühlen sich grosse Cruiser, die mit mächtigen 240 mm-Hinterreifen imponieren, in den Kurven an, als würde man einen Panzer um die Ecke schieben. Es ist keine wahre Freude. Bei der Triumph Thunderbird Storm ist das ganz anders. Mit ihr ist es eine wahre Freude, Kurven zu fahren, denn sie lässt sich gerne leicht und dynamisch in die Kurven legen und sie macht hier alles willig mit. Das dynamische Cruisererlebnis ist einzigartig und besser als bei manch anderem Konkurrenten. Erstaunlich! Passfahrten sind deshalb auch mit so einer schweren Cruiser das echte Vergnügen. Als ob man auf einem Wal reiten würde und mit ihm sanft gleitend durch die Meere kurven, kraftvoll und wendig zugleich. Kompliment an das Konstrukteur-Team von Triumph, die Leute konstruieren nicht nur am Reissbrett, sondern fahren offensichtlich die Maschinen auch selbst und denken offensichtlich wie Biker. Weniger Imponieren und mehr Fahrvergnügen war wohl das Motto beim Set-Up der Thunderbird Storm. Also nicht nur Spass am tiefen „TuckTuckTuck…“, sondern auch am „swinging around the curves“.
Hat sie auch Schwächen?
Schwächen zeigt die Thunderbird Storm als Autobahn-Mobil, zum einen – und das ist etwas typisch für grosse Cruiser – hält der Fahrer wegen seiner aufrechten Position und des fehlenden Windschutzes den Wind wie ein Segel auf und das führt zu spürbar starkem Luftwiderstand, der auf Dauer ermüdend wirkt, und zum andern endet der „Tuck-Tuck“-Sound bei rund 3‘000 Touren, die im 6. Gang rund 110-120 km/h bedeuten, und ändert sich in ein schnelles „BrrBrrBrr…“, das zum Vibrieren des Bikes passt, doch damit enden auch echte, entspannte Cruisergefühle. Oben hinaus könnte die Thunderbird sogar noch etwas mehr Power vertragen. Der Tourenbereich bis ca. 6‘000 U/Min ist auch für einen Low-Rider nicht wirklich gross und mit 98 PS ist sie im Konkurrenzumfeld nicht die Stärkste, wenngleich angefügt werden muss, dass eine Cruiser keine Speedmaschine sein will und sein soll. Insbesondere für Unkundige in Sachen Cruiser mit grossem Hubraum: Ein kleiner Wermutstropfen ist der Verbrauch, eigentlich logisch bei 1700-Kubik Hubraum. Bei meiner Testfahrt durfte ich nach 210 km 14.49 Liter nachtanken, das entspricht einem durchschnittlichen Verbrauch von 6.9 Litern/100 km. Das ist für die Grösse des Bikes eigentlich gar nicht so viel, aber man spürt es in der Kasse! Und ein kleines Detail, das optimiert werden könnte: Den Seitenständer mit dem Fuss zu finden und auszuklappen, ist fast ein kleines Kunststück.
Optisch ist das Modell meinem Geschmack nach jetzt kein auszeichnungswürdiges Designerstück. Aber sie hat Seiten an ihr, die echt gefallen können wie z.B. der voluminöse Tank, die schwungvolle Linie, die verchromten Auspuffrohre oder die Doppelscheinwerfer, die von Fahrersicht aus, sehr mächtig wirken. Wem sie auf Anhieb noch nicht wirklich gefällt, hat zum einen die etwas kleinere Thunderbird als Alternative oder zum anderen rund 90 Zubehörteile, womit man das Modell nicht nur individualisieren, sondern extrem hübscher machen kann, wie mir James Müller von Hafner’s British Bikes im Gespräch erklärte und wie ich beim Recherchieren feststellte.
Fazit
Mit der Thunderbird Storm macht Triumph Harley-Davidson & Co. mächtig Dampf. Wer keine Lust auf ein amerikanisches Bike hat und von Japanern nichts wissen will, findet in der Triumph eine echte Alternative, sie ist vielleicht noch nicht so bekannt, aber nur weil sie bisher unentdeckt war. Das erinnert mich an das Understatement, das die Briten bei ihren Rolls Royce und Bentleys an den Tag legen, sie protzen nicht mit ihren PS, selbst wenn sie diese unter der Haube haben, sie wissen es ja und schätzen es, dass nur Insider davon wissen. In diese philosophische Kultur ist wohl auch die Triumph eingebettet. Man will wohl nicht gross auf den Putz hauen und gross an die Glocken hängen, was sie so drauf hat. Aber Jungs, so wissen es die Leute ja nie, macht kein zu grosses Geheimnis daraus! Wer eine Triumph Thunderbird Storm sein Eigen nennen darf, hat einen starken Auftritt, einen Mordssound und einen Riesenspass auch um enge Kurven und damit ein Bike, das nicht nur einem selbst, sondern auch allen anderen gefällt. Der grösste Minuspunkt ist wohl die etwas geringe Bekanntheit der Triumph Thunderbird Storm, denn das Potential zum Star hat sie allemal.
TECHNISCHE DATEN | |
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MOTOR | |
Typ | Flüssigkeitsgekühler DOHC-Paralleltwin, 270° Hubzapfenversatz |
Hubraum | 1’699 ccm |
Max. Leistung | 98 PS/72 kW bei 5’200 U/Min |
Max. Drehmoment | 156 Nm bei 2’950 U/Min |
KRAFTSTOFF | |
Gemischaufbereitung | Elektronische sequentielle Multipoint-Saugrohreinspritzung, Drosselklappen mit progressiver Anlenkung |
Tankinhalt | 22 Liter |
KRAFTÜBERTRAGUNG | |
Kupplung | Mehrscheiben-Ölbad |
Getriebe | 6-Gang |
Endantrieb | Zahnriemen |
FAHRWERK, MASSE | |
Rahmen | Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen |
Schwinge | Stahlrohr-Zweiarmschwinge |
Masse | 2’340 x 880 x 1’120 mm |
Radstand | 1615 mm |
Sitzhöhe | 700 mm |
Gewicht | 339 kg |
RÄDER, BREMSEN | |
Räder vorne | 5-Speichen, Leichtmetallguss, 19 x 3.5 Zoll |
Räder hinten | 5-Speichen, Leichtmetallguss, 17 x 6.0 Zoll |
Reifen vorne | 120/70 R 19 |
Reifen hinten | 200/50 R 17 |
Bremsen vorne | 310 mm-Doppelscheibe, Nissin 4-Kolben-Festsattel, ABS optional |
Bremsen hinten | 310 mm-Einzelscheibe, Brembo 2-Kolben-Schwimmsattel, ABS optional |
PREIS | |
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Preis | CHF 19’490.00 |