Yamaha FZ8: Das Biest erwacht bei 6000 Touren

Sie wirkt auf den ersten Blick beinahe unscheinbar und doch schlummert in ihr ein wahres Biest, das ab 6‘000 Touren erwacht. Der Komfort und das Handling einer Enduro paaren sich bei der FZ8 mit den Motoreigenschaften einer Sportmaschine. Man ist echt beeindruckt.

Text: Rolf Fleckenstein, Bilder: Bruno Fleckenstein, Yamaha

Optisch wirkt sie, bei Tageslicht betrachtet, einiges unscheinbarer als auf den tollen Katalogfotos, auf denen sie geradezu bullig wirkt. Neben all den Riesenmaschinen, die heutzutage herumstehen, wirkt sie sogar ziemlich durchschnittlich und unauffällig. Ihr wahres Ich entdeckt man erst, wenn man den Gashahn aufdreht, dann spürt man den Teufel, der in ihr steckt.
Das Instrumentenboard ist klein und übersichtlich, aber, wie Yamaha-Fahrer es gewohnt sind, äusserst praktisch. Der digitale Tacho ist am grössten, die Ablesung ist blitzschnell und sicher erfolgt, man weiss bei jedem Blick auf den Kilometer genau, wie schnell man unterwegs ist und das ist bei der heutigen Bussenpraxis sehr wichtig. Sobald man ins Dunkel fährt, wandelt sich der hellgraue Hintergrund in einen leuchtend hellroten und sichert auch bei Dunkelheit eine tadellose Lesbarkeit und Tempo-Orientierung. Der runde Tourenzähler mit klassischem Zeiger geht bis auf etwa 12‘000 Umdrehungen hoch, das wirkt vorerst etwas erstaunlich, wird aber noch sehr wichtig sein, wie ich bald feststellen soll. Daneben kann man sich mittels zweier Druckknöpfe durch ein kleines Menu zippen und Tageskilometer, Restbenzin, usw. eruieren. That’s it, das ist bereits das gesamte Boardinstrumentarium. Ausser der nicht vorhandenen Ganganzeige, die mir fehlt, ist alles perfekt.

Alles andere wie gewohnt, Blinker links, Anlasser rechts, Zündschlüssel mit verschiedenen Schlüsselpositionen für Lenkschloss, usw. Ein Druck auf den Anlasserknopf und der Motor summt gleich los. Richtig ein Lossummen, kein Brummen, nichts Gewaltiges. Die Sitzposition ist ziemlich aufrecht, ähnlich wie bei einer Enduro, noch leicht gegen vorne geneigt, doch stets sehr komfortabel, übersichtlich und wendefreudig. Ein erstes Gasgeben reicht und der Motor zieht stark und stet an. Je mehr Gas man gibt, desto mehr zieht der Motor an, ohne irgendwo bei einer gewissen Drehzahl in ein Durchzugsloch zu fallen, ein sauberer linear verlaufender Durchzug. Das ist perfekte Motorentechnik à la Yamaha. Wie aus dem Lehrbuch, kein Rütteln, kein Stocken, ein reibungsloses Anziehen des Motors, der perfekt mit der Schaltung harmoniert. Das ist, was Yamahafahrer an ihren Maschinen schätzen, das alles so reibungslos und perfekt läuft, ohne dass man je Angst haben muss, dass etwas einmal nicht perfekt funktionieren würde.

Ab 6000 Touren erwacht das Biest
Aber spannend wird’s eigentlich erst, als ich auf die Autobahn einlenken kann, denn vorher kann man das Tourenlimit gar nicht erreichen und jetzt geht’s auch erst richtig los. Im zweiten, dritten Gang drehe ich den Gashahn weiter und weiter auf und er zieht und zieht ohne Ende und immer bissiger an. Zieht er bei 3‘000, 4‘000, ja 5‘000 Touren noch zivilisiert hat, spürt man, wie teuflisch bissig das Biest unter dir werden kann, wenn es gegen das Tourenlimit bei rund 11‘600 U/Min geht. Ab 6‘000 Touren geht wirklich die Post ab. Bis dahin zieht die „Nackte“ linear ohne Durchzugsloch sauber an, aber ab 6‘000 Touren entfaltet der FZ8 nochmals Zugkräfte, als würde der Teufel am Vorderrad ziehen, und ein wildgewordener Alien, der im Motoblock haust, immer verrückter losheulen, hier kommt ihr ganzer Renncharakter, das „Biest“, zum Vorschein, schliesslich entstammt der Vierzylinderreihenmotor der Sportserie und dies wird einem langsam aber sicher bewusst. Gleichzeitig wird einem auch bewusst, dass man die FZ8 bei ihrem ersten Anblick wohl etwas unterschätzt hat, schliesslich wird einem bei dem Blick auf ihr Datenblatt klar – es stehen mit 106 PS und 82 Nm bei 8‘000 Touren massive Leistung zur Verfügung -, dass man es hier mit einer sportlichen Maschine zu tun hat. Leider ist man damit aber auch schnell über dem zulässigen Schweizer Tempolimit, bereits im 2. oder 3. Gang landet man schnell zwischen 80 und 140 km/h. Auch der Sound entwickelt sich entsprechend. Beginnt der Motor mit einem leisen Summen, wird daraus ein leichtes Brummen, ab 6‘000 wird daraus aber definitiv ein echtes Dröhnen als Ausdruck der immensen Zugkraft, das derart massiv wird, das von entspanntem Biken keine Rede mehr sein kann. Erst die Drehzahlbegrenzung macht dem brachialen Ziehen und dem massiven Heulen des Motors ein Ende, indem dieser zu stottern beginnt und einen zwingt, einen Gang weiter hochzuschalten. Um zu erfahren, was das Teil echt auf dem Kasten hat, muss man auf die Rennstrecke damit. Auf Schweizer Autostrassen kann man das Teil nicht vollends ausfahren, die Power ist einfach zu gross. Ich bin echt beeindruckt.

Souveränes Handling ähnlich wie bei einer Enduro
Auch die Fahrt- und Laufruhe auch bei hohen Geschwindigkeiten ist angenehm und trotz des fehlenden Windschutzes spüre ich eigentlich kaum Gegendruck auf der Autobahn.
Insgesamt ist das Handling der FZ8 äusserst angenehm. Die aufrechte Sitzhaltung und der breite Lenker gewähren dem Fahrer ein Handling ähnlich wie bei einer Enduro, komfortabel, wendig, übersichtlich. Das macht ihn besonders alltagstauglich. Vom Trottoir runter oder über andere kleine Hindernisse kein Problem für die FZ8, sie hat mindestens 140 mm Bodenfreiheit. Der flache Lenker sorgt für hohe Wendigkeit, die insbesondere bei engen Lenkmanövern in der Stadt sehr gefragt ist.

Insgesamt ist die FZ8 ein beeindruckender Alltagsallrounder, der in allen Lagen funktioniert, gleich ob im engen und nervösen Stadtverkehr, bei kurvenreichen Passfahrten oder ob bei temporeichen Fernfahrten. Hohe Funktionalität und einfaches Handling sind ihre Stärken. Aufsitzen, fertig, los. Spannend und auch überraschend aber wird es, wenn man den sportlichen Motor entdeckt und seine Zugkräfte ab 6‘000 Touren erleben darf, dann wundert man sich schon über das Biest, das unter dem Sattel schlummert. Die FZ8 vereint die Handling- und Sitzeigenschaften einer Enduro mit dem Motorcharakter einer Sportmaschine, das muss man wissen und wird einem bei einem Ausritt klar. Optik ist Geschmacksache, aber mir gefällt sie am besten in grau oder schwarz, aber es stehen ja werksmässig vier Farben zur Auswahl.

TECHNISCHE DATEN
MOTOR
Typ
Flüssigkeitsgekühlter, 4-Takt, DOHC, nach vorn geneigter Reihenvierzylinder
Hubraum
799 ccm
Kompression
12 : 1
Max. Leistung
78.1 kW /106.2 PS bei 10’000 U/Min
Max. Drehmoment
82.0 Nm bei 8,000 U/Min
KRAFTSTOFF
Gemischaufbereitung
Elektronische Kraftstoffeinspritzung
Tankinhalt
17 Liter
KRAFTÜBERTRAGUNG
Kupplung
Nass, Mehrscheiben Spiralfeder
Getriebe
Konstanter Eingriff, 6-Gang
Endantrieb
Kette
FAHRWERK, MASSE
Rahmen
Druckguss-Aluminium, Rautenförmig
Masse
2140x770x1065mm (LxBxH)
Radstand
1460 mm
Sitzhöhe
815 mm
Bodenfreiheit
140 mm
Gewicht
211 kg / ABS 216 kg
FEDERUNG
Federung vorne
Upside-down telescopic fork, 43 mm Standrohr, Federweg 130 mm
Federung hinten
Über Hebelsystem angelenktes Federbein, Federweg 130 mm
REIFEN, BREMSEN
Reifen vorne
120/70 ZR17M/C (58W)
Reifen hinten
180/55 ZR17M/C (73W)
Bremsen vorne
Hydraulische Doppelscheibenbremse, 310 mm, ABS
Bremsen hinten
Hydraulische Einscheibebremse, 267 mm, ABS
PREIS
Preis
CHF 11’990.00

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